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Historisch gesehen ist die Kerb, wie sie in den
Riedgemeinden gefeiert wird, die Kirchweihe, die wie der
Name sagt an die Weihe der Kirche im Ort erinnern soll.
Dieser kirchliche Bezug fand allerdings noch niemals
wirkliche Beachtung. Denn wie der Leeheimer Heimatforscher
Heinz Buchert in seinem Buch „Anno Duwagg- Ein Ausflug in
die Vergangenheit Leeheims und der anderen Riedgemeinden“ in
dem er vor allem historische Quellen aus den Archiven der
Region auswertet, berichtet, waren in früheren Zeiten an
kirchlichen Feiertagen „Vergnügungen aller Art untersagt“
(S217). Kerb hingegen galt als weltlicher Feiertag und war
somit zu allen Zeiten willkommener Anlass richtig zu feiern.
Dies führte zur Stellung der Kerb als größtes Volksfest in
der Gemeinde.
Ein
Kerweplatz wie man ihn auch heute noch kennt durfte da
natürlich nicht fehlen. Die Schießbude; ohne die man sich
den Festplatz nur Schwer vorstellen kann; kann man mit Fug
und Recht als letztes Überbleibsel einer anderen
Kerwetradition aus dem 16. Jahrhundert bezeichnen. Damals,
so weis Buchert zu berichten, wurde zur Kerwezeit ein
Armbrustpreisschießen veranstaltet. Aus den Archiven der
Priviliegierten Schützengesellschaft Darmstadt lässt sich
ersehen, dass ein solches Kerweschießen in Leeheim bereits
im Jahr 1562 stattfand. Das selbe Archiv datiert solche
Veranstaltungen in Goddelau 1601, Wolfskehlen 1603,
Crumstadt 1604 und im benachbarten Dornheim 1584 und
Geinsheim 1592.
In
Leeheim wurde, so Buchert, die Kerb vor langer Zeit auf den
3. Sonntag und Montag nach Michaelistag (29.9) festgelegt.
Heute da man davon ausgehen kann, dass der Kerwetermin den
meisten wohl eher ein Begriff ist als der Michaelistag,
liegt die Kerb immer noch im 2. vollen Oktoberwochende.
Scherzhaft aber immer zutreffend wird der Termin auch als
siebter Sonntag im September bezeichnet.
Diese
Bezeichnung ist vor allem deshalb so zutreffend, da sie auf
den Kalender der Kerweborsch verweist, die sich in jedem
Jahr am ersten Freitag im September treffen und dann noch
sechs Sitzungen Zeit haben um sich auf den Tag des
Kerbausgrabens (der siebter Septemberfreitag) vorzubereiten.
Dann nämlich ziehen die Kerweborsch unter Führung des
Kerwevadders des Vorjahres ins „Owwerdorf“ und holen die
Kerb mit Spaten bewaffnet aus ihrem Versteck, wo sie den
Rest des Jahres in Form einer vergrabenen Flasche verbringt.
Diese der Leeheimer Kerb mittlerweile eigene Sitte, die oft
belächelt wird, hat jedoch ebenfalls eine so lange
Geschichte, dass sich ihr Beginn schon nicht mehr
zurückverfolgen lässt. Klar ist, dass seit je her Keweborsch
ins „Owwerdorf“ ziehen um dort die Kerb zu holen und auch
nach Ende der Kerb und der anschließenden Nachkerb, nach
zwei Wochen des Feierns also, die Kerb wieder
„wegzubringen“. Der Situation angemessen geschieht dies
natürlich unter lauten (wenn auch gestellten) Weinen.
Beim
Kerbausgraben wird dann auch der Kerwevadder für die
folgende Kerb der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Vorher
weis nämlich in Leeheim nur das Kerwekommitee, das den
Kerwevadder wählt, wer am darauf folgenden Sonntag den
Leeheimer im Kerwespruch von den Missgeschicken ihre
Mitmenschen berichtet. In weißen Hosen und der roten Kappe
reitet der Kerwevadder auf einem, den früher benutzen
Pferden, nachempfunden Aufbau. Er folgt an der Seite von
seinem Vorgänger, dem Altvadder und seinem Vertreter dem
Vizevadder, den Kindern des Ortes nach, die mit ihren
festlich geschmückten Rädern den Umzug anführen. Bei diesem
wissen die Kerweborsch die Missgeschicke auf kreative Art
auf den mitfahrenden Rollen darzustellen.
Somit
sieht man die Wichtigkeit der Kerweborsch für die Kerb. Ohne
Kerweborsch keine Kerb. Das war früher so (Hinweise auf
Kerweborsch in Leeheim finden sich bereits in Texten aus dem
Ende des 18ten Jahrhunderts) und ist auch heute so. Stellen
sie doch außerdem noch den Kerwebaum der weithin von der
Kerb kündet und bringen ihn natürlich nach 3 Wochen wieder
weg. Da Leeheim übrigens als eines der letzten Orte einen
echten Baumstamm in die Ortsmitte bringt, kann sich ein
glücklicher Freund der Kerb im Anschluss über 24 ½ m
Brennholz freuen.
Heute, da
man eigentlich zu jeder Zeit feiern kann, ist Kerb für viele
eine willkommene Gelegenheit den Zusammenhalt im Ort zu
festigen und neue Bekannte zu finden und alte Bekannte
wieder zusehen. Ist für die Kinder des Ortes vor allem der
Kerweplatz die Attraktion, so sehen die der „Reitschul“, wie
das Kinder-Karussell genannt wird, entwachsenen den
Höhepunkt wohl in der Saalkerb, die Samstags und Sonntags
sowie an Nachkerb Samstags stattfindet. Am Montag dem
Frühschoppentag steht dann der gesamte Ort Kopf und alle
möglichen Leute ziehen über den Kerweplatz „am Kreiz“ und
durch die Leeheimer Wirtschaften. |
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